St. James Walkway
67 km - 5 Tage - 56 Stunden Regen

Tag 1 :: 10 km, 5 Std.

Nach einem mehrtätigen Aufenthalt in Hanmer Springs ging es hoch zum Lewis Pass - von dort startete unsere 5-tägige Wanderung, der St. James Walkway. Umgeben von knappen 2000ern schlängelt sich der Weg im nördlichen Canterbury durch verschiedene Flußtäler und über kleine Bergrücken.

Zur Einstimmung hat uns die Westcoast schonmal einige Vorboten der nächsten Tage geschickt - der Himmel war eine einzige Wolkendecke. Uns stand zwar ein langer Weg bevor, jedoch keine extremen Höhen, daher haben wir uns nicht großartig um das Wetter gesorgt. Calimero sicher abgegeben (SecureParking), "Intention-Form" (wo gehen wir hin, wann kommen wir wieder) ausgefüllt - ging es los. Noch auf dem Parkplatz haben wir eine vierköpfige neuseeländische Wandergruppe getroffen, für die wir doch bitte schonmal das Teewasser auf der ersten Hütte aufsetzen sollten. Die nächsten Tage sollten wir also nicht allein verbringen... was sich als sehr beruhigend herausstellen sollte. Doch dazu später mehr.
Positiv gestimmt sind wir losmarschiert, durch steile Waldgebiete, über die ersten Brücken, durch die ersten Rinnsaale. Beeindruckt vom klaren Wasser des Maruia River, ging es immer weiter ins Hinterland, durch sattgrüne Buchenwälder und offene sub-alpine Weidenfelder. Trotz der "fehlenden" Aussicht, die wir von unseren Wanderungen daheim gewohnt sind, erwies sich der Weg als sehr abwechslungsreich. Unsere erste Befürchtung, es könnte langweilig werden, war also beseitigt. Auch Christins Ängste aufgrund sogenannter "Avalanche Areas" erwiesen sich als unbegründet.
Nach ca 5 Stunden kamen wir an unserem Etappenziel, der Ada Pass Hut, an - traumhaft gelegen und sehr gemütlich. Unsere neuseeländischen Weggefährten, allesamt zwischen 63 und 73 Jahre alt, erreichten die Hütte nur wenige Minuten nach uns, obwohl sie ca eine Stunde später gestartet sind. Auch sie haben natürlich gute 15 Kilo auf den Rücken geschnallt - wir waren beeindruckt. Die Symphatie war von Anfang an da, schon der erste Abend war wirklich sehr nett. Wie während der letzten Monate schon so oft festgestellt, sind die Neuseeländer wirklich sehr offen, unkompliziert und interessiert.
Leider gab es zum Abendessen keinen Kaiserschmarrn sondern nur "Bergsteiger"-Nahrung aus der Tüte, die sich aber als überraschend gut heraus stellte.
19 Uhr Schlafenszeit ... oder auch nicht ... Oropax wären angebracht gewesen. :-)
Es fing an zu regnen ...

Tag 2 :: 10,5 km, 4,5 Std.
... es schüttete.Aus den zwei Wasserfällen am gegenüberliegenden Berg sind über Nacht fünf geworden, es schien ein nasser Tag zu werden. Unsere anfänglichen Bemühungen trockene Füsse zu behalten, haben wir schnell aufgegeben. Diane´s Zitat "The whole way will be a creek" stellte sich als wortwörtlich heraus - ganz nach neuseeländischer Manier sind wir "mitten durch". Regenjacke, Regenhose, alles nutzloser Kram, nach einer knappen Stunde waren wir bis auf die Unterhose durchgeweicht. Zu sechst ging es im Eiltempo zur Christopher Hut.
Trotz allem war der Weg: Wow!
Langsam konnten wir erahnen welche Weiten sich im Backcountry Neuseelands auftun.
Nach ca 3 Stunden eröffnete sich uns ein riesiges Tal. Wirklich riesig! Das war Neuseeland wie wir uns es vorgestellt haben. Im Prinzip das Zillertal, völlig unberührt und fünfmal so groß, mindestens. Anstelle der Ziller fließt hier der Ada River, anstelle der Ösis wohnen hier Wild-Pferde und Wild-Kuhherden! Für uns (und wahrscheinlich für jeden) ein echtes Highlight. Dabei vergaßen wir sogar den andauernden Regen.
In der Hütte angekommen, wieder trockengelegt, haben wir den Nachmittag mit unseren Mitwanderern am gemütlichen Ofen ausklingen lassen. Nach einem weiteren "Festmahl" ging es recht früh ins Bett. Von unserem Fenster aus hatten wir einen wunderschönen Blick in das Tal, zu den galoppierenden und wiehernden Pferden (hört sich zwar superkitschig an, es war aber einfach genau so).
Es tröpfelte nur noch ...
Tag 3 :: 15 km, 5 Std.

... es hörte auf zu regnen.
Völlig unerwartet wurden wir um halbsechs in der Früh von den ersten Sonnenstrahlen geweckt. Endlich bot sich die Gelegenheit für eine kleine Foto-Session. Die Stimmung war traumhaft: dunkle Wolken, blauer Himmel, schneebedeckte Berghänge in orangenes Licht getaucht, sattes Grün, Regenbogen, Enten in Formation am Himmel, Pferde in der Ferne, Delphine im Wasser (ok, das letzte war für Carola aber ansonsten war es wieder genau so, egal wie unglaublich märchenbuch-kitschig sich das anhört).
Genug geträumt, weiter gings:
In einem großen Bogen hinaus aus diesem, hinein in das nächste Tal. Besonders der erste Teil war superschön, der Fluß hat sich durch das viele Regenwasser eindrucksvoll viele Wege gebahnt - Flußbetten, so rießig wie dieses gibt es bei uns einfach nicht mehr. Mindestens genauso spektakulär war der Bulle. Der Bulle vom Ada River. Dieser nämlich hat bei unserem Vorbeigehen wie wild mit den Hufen gescharrt und unglaubliche Laute von sich gegeben. Unwillkürlich mussten wir an diese Stier-Verfolgungsjagden in irgendeiner spanischen Stadt denken und sahen uns schon auf dem nächsten Baum sitzen. So ganz ohne Zaun und Torrero ist das schon etwas unheimlich. Glücklicherweise stellte sich heraus, das er nicht uns, sondern sein Harem beeindrucken oder vielmehr herbeirufen wollte. Denn wenige Sekunden später kamen seine 30 Frauen angaloppiert um gemeinsam den Fluß zu überqueren! Wie im guten alten Western wurden die Kühe über den River getrieben, nur eben nicht vom Cowboy sondern vom schwarzen Bullen höchstpersönlich.
Nach diesem Erlebnis war der zweite Teil dieses Tages eher unspannend und mühsam ... bis die Swing-Bridge kam.
Kurz vor erreichen der Anne Hut galt es diese noch zu überqueren. Was folgendes heißt: ein schwingendes, äußerst wackeliges Drahtgestell soll dazu dienen, denn Fluß zu überqueren. Um die 40 Meter lang, in ca 8 Meter Höhe, mit einer Geh-Breite von satten 40 cm drahtzaunartigem Etwas. Vor ein paar Jahren wäre Christin wohl eher den ganzen Weg zurück gegangen als sich da rüber zu wagen. Durch den Wind und das Getöse des Henry Rivers unter den Füßen, das man natürlich wunderbar sieht, gestaltete sich das ganze also nicht gerade angenehm. Da ist sogar dem Manu das Lachen vergangen. Und die Story vom letzten Abend machte es auch nicht besser: Vor einigen Jahren ist eine Frau durch diese Metallstreben gerutscht und in den Fluß gestürzt. Wobeis damals zwischen den Bodenstreben nichts war, inzwischen aber eben dieser "Drahtzaun" Sicherheit geben soll. Wow. Angeblich ist es jetzt wirklich sicher aber das Gefühl war alles andere als das.

Außergewöhnlich:
Über den gesamten Tag sind wir tatsächlich trocken geblieben! Mal abgesehen vom Angstschweiß durch Bulle und Brücke.
Am Abend aber fing an richtig zu regnen ...
Tag 4 :: 15 km, 7 Std.
... über Nacht wurde der Regen zu "Heavy Rain".Wetterfrosch Fred empfing uns in der früh mit den Worten: "No way to cross that rivers today." Ein Blick aus dem Fenster genügte und wir wussten was er meinte. Der am Vortag noch recht gemütlich dahinfließende Anne River wurde zu einem brauen reißenden Strom. Hier in Neuseeland können Flüße innerhalb kürzester Zeit, manchmal in Minuten, derart anschwellen, das es kein Vor und Zurück mehr gibt. Der Begriff "River Crossing" ist häufig Thema, wobei es bei dieser Wanderung eigentlich keine nennenswerte Gefahr darstellen sollte. Aber eben nur eigentlich denn bei derart viel Regen die ganze Nacht über schwellen sogar Creeks (Seitenbäche) zu beachtlichen Wassermaßen an. Und von solchen hatten wir an diesem Tag einige zu überqueren, 27 um genau zu sein. Fairerweise müssen wir dazu sagen, das drei davon überbrückt waren. Juhuuh.
Nach einigen Überlegungen, Hin und her, Kartenlesen, in den Himmel schauen, haben wir (bzw Fred unser erfahrener Leader) dann letztlich doch entschieden, es drauf ankommen zu lassen. Plan B war aber nach wie vor wieder zur Hütte zurück zu kehren, falls ein unüberwindbarer Creek ein zu großes Risiko darstellen würde.
Wir waren froh loszugehen, denn zum einen wollten wir nicht einfach abwarten - man weiß ja nicht wann es besser wird - zum anderen neigten sich unsere Essensvorräte schon sehr dem Ende zu, die Ration für den "Extra-Sicherheits-Tag" hatte Manu an Tag 3 natürlich schon aufgefuttert - wer konnte denn sowas ahnen.
Also rein in alle Klamotten die wir hatten und raus in die Wasserschlacht. Das wir innerhalb kürzester Zeit naß bis auf die Knochen sein würden, wußten wir bereits. An diesem Tag kam aber auch noch die Kälte dazu und da hieß es trotz Nässe warm zu bleiben. In Formation Fred, Shirley, Rae, Diane, Christin, Manu ging es im Entenmarsch das Tal hinauf, über einen Bergsattel, in ein anderes Tal hinein bis letztlich zur Boyle Flats Hut.
Doch bis dahin war es ein langer Weg:
Es war so unglaublich viel Wasser. Überall! Das kann man gar nicht beschreiben. Platzregenartig von oben, die Wiesen die Pfade, alles stand unter Wasser bzw floß unter unseren Füßen davon. Die Creeks waren echte Adrenalin-Kicks zumindest für uns Neuseeland-unerfahrenen. Auch wenn es "nur" Bäche waren schoss das Wasser mit gewaltiger Kraft die Hänge hinab. Beim Durchqueren mußten wir sehr aufpassen nicht mitgerissen zu werden. Vor allem weil man bei soviel Wasser den Boden nicht sieht, war das nicht immer einfach. Fred ist immer als erster in den Creek gestiegen und hat sich einen sicheren Stand "gebaut" um allen anderen durch das Wasser zu helfen. Manu hat es aber bis auf zweimal alleine gemeistert :-)
Zwischenzeitlich standen wir ohne Übertreibung bis zu den Knien im Schlamm. Nach wie vor überall Wasser, Teile des Tracks wurden einfach weg gespült, umgestürzte Bäume versperrten den Weg. Zeitweise führte der Weg am fast schon übergelaufenden Boyle River entlang - Nervenkitzel pur. Auf den letzten Kilometern kamen dann auch noch einige sturmartige Windböen auf, die das Gehen mit den Rucksäcken zum Balanceakt machten.
Ausnahmsweise war sogar Christin happy als sie die nächste Swingbridge sah, denn nur 500 Meter danach war die ersehnte Hütte in Sicht. Nach diesem Abenteuer war dieses Hindernis dann eine leichte Übung und wir waren alle wirklich froh diesen Tag zusammen gemeistert zu haben.
Tagesfazit:
Ein wirklich krasses Erlebnis aber trotzdem der coolste Tag des ganzen Trips!!! Dank Fred & Co haben wir uns bei der ganzen Sache auch recht sicher gefühlt, wir waren sehr froh das sie da waren. Alleine wären wir wohl eher in der Hütte sitzen geblieben und hätten zur Not das Funkgerät dort benutzt.
Der Heavy Rain wurde wieder zu Regen ...
Tag 5 :: 14,5 km, 5,5 Std.
... und machte am letzten Tag sogar manchmal Pause.Am letzten Tag galt es nur noch einige wenige kleinere Creeks zu überqueren, die aufgrund des abgenommenen Regens auch keine Gefahr mehr darstellten. Außerdem hatten wir ja schon jede Menge Übung :-) Abgesehen von zwei weiteren fiesen Swingbridges hielt dieser letzte Tag keine großen Überraschungen für uns bereit. Es ging für alle mehr darum, zurück zum Auto zu laufen und den St. James Walkway erfolgreich abzuschließen.
Fazit:
Das Wetter stand nicht wirklich auf unserer Seite aber wahrscheinlich wurde es gerade dadurch zu einem unvergesslichen Erlebnis. Es war wie eine kleine Wanderfamilie: Fred das Oberhaupt, Diane & Rae die Ersatz-Mamis, Shirley die liebe Oma. Würde unsere Reiseplanung nicht weiter Richtung Süden gehen, würden wir Weihnachten bei Ihnen zu Hause feiern, eingeladen haben sie uns zumindest :-) Aber wir hoffen, das wir sie am Ende unserer Reise nochmal besuchen kommen können.Mittlerweile regnet wieder ... und wir freuen uns auf die nächste Wanderung. ;-)
derManu - 15. Dez, 00:11